Sehr geehrter
Herr Kirchner,
an verschiedenen
Baustellen (!) streiten Sie und wir in unserem Bezirk
für gemeinsame Ziele. Zuletzt haben wir uns gemeinsam
FÜR die Einführung der Parkraumbewirtschaftung
im Prenzlauer Berg eingesetzt. Über die zukünftige
Baustelle in der Kastanienallee konnten wir uns bisher
NICHT verständigen, obwohl wir Ihnen eine Steilvorlage
nach der anderen für eine einvernehmliche Gestaltung
dieser im Bezirk Pankow einmaligen Straße gegeben
haben.
Nun aber bestürzen
Sie uns mit Äußerungen in der Tagespresse
- und wir hoffen, Sie wurden falsch zitiert, wie es
ja auch auch uns passiert - die Sie in die Niederungen
des Populismus führen. Mit diffamierenden Aussagen
über die Anwohner des Kastanienallee-Kiezes und
deren legitime Sorgen um ihr Lebensumfeld verteidigen
Sie Ihre kompromisslose Haltung. Sie attestieren den
Bürgern einen "Grundhass auf den Staat"
und ein "Grund-Misstrauen" gegen die Verwaltung,
und "Angst vor der Veränderung" einer
"Spielwiese" (Berliner Zeitung vom 12.6.2009).
Und: "Man muss auch realistisch bleiben" (Berliner
Kurier 12.6.2009).
Wir entnehmen
diesen Zitaten, dass wir, die anliegenden Bürger,
in Ihren Augen kindisch und lebensfern sind, unrealistisch
und geistig unbeweglich, zutiefst anarchistisch und
Feinde der öffentlichen Ordnung. Aber Sie, als
Stadtrat dieser öffentlichen Ordnung, stellen mit
tapferer Unbeugsamkeit als "Grüner Sheriff"
(Berliner Kurier 14.2.2009) sicher, dass selbige für
die übrigen braven Bürger erhalten bleibt.
Die Wahrheit
ist schon auf fast erschreckende Weise das Negativ Ihrer
eigenen Selbstwahrnehmung: das von Ihnen als ausreichend
betrachtete sogenannte "Beteiligungsverfahren"
musste Ihnen erst per BVV-Beschluss aufgezwungen werden.
Sie hegen ein Grund-Misstrauen gegenüber den dummen
Bürgern, die dem Hoppla-Hopp ihrer Planung im Wege
stehen. Ihre, für die bedächtig und akribisch
vorgetragenen Einwände der Anwohner, tauben Ohren
schüren erst das Misstrauen der Bürger. SIE
und Ihre Verwaltung haben sich als unbeweglich erwiesen.
Oder wie würden Sie es nennen, wenn von 100% IHRER
Forderungen 5% umgesetzt werden? Einen Kompromiss?
Kompromisse haben
dagegen die Bürgerinitiativen gemacht. Auf die
Ablehnung von "Shared Space" und "Fußgängerzone"
- alles keine abwegigen Ideen, die unsere "Angst
vor Veränderung" beweisen könnten - haben
wir mit detailgenauen und sachkundigen Lösungen
geantwortet, auf die Bezirk und Senat konsequent in
kompromissloser Bürokratenmanier reagierten.
Die "Angst
vor Veränderung" treibt die Bürokraten
um. Die Angst vor Demokratie und ernsthafter Bürgerbeteiligung,
welche die Plan-"Spielwiesen" austrocknen
könnten, die immer noch so absurde Monster hervorbringen
wie die Verlängerung der A100 für 400 Millionen
Euro, mit der 200 Kastanienalleen zu lebens- und liebenswürdigen
Straßen umgebaut werden könnten! Aber ach,
es ist ja kein Geld da! Ja, weil gewählte Stadträte
zu bequem sind sich gegen gewählte SenatorInnen
durchzusetzen. Und gewählte SenatorInnen keinen
Mumm gegenüber den gewählten BundespolitikerInnen
beweisen. Auch dass wäre "Demokratie von unten"!
Stattdessen schielt
der von den Bürgern gewählte Stadtrat lieber
auf den Bürger-Meisterposten, der auf dem Spiel
stünde wenn der Stadtrat aufmuckt. Dabei sähen
wir ihn gern in diesem Amt, wenn er nur FÜR die
Bürger kämpfen würde, anstatt für
altmodische Verkehrskonzepte eine lebendige Straßenkultur
zu zerstören, wie uns der Verlust des Zeitungskiosk
am U-Bahnhof Eberswalder Straße schmerzhaft vor
Augen führt.
Vermutlich war
Ihnen das zu viel der von Ihnen bemängelten "Kommerzialisierung
ohne Ende", wo wir fast ausschließlich unabhängige,
kreative Geschäftsleute sehen, die dazu beitragen
der Straße ihr einzigartiges Flair zu geben. Den
öffentlichen nicht-kommerziellen Raum für
den Aufenthalt der Anwohner, für den Sie zuständig
sind, zerstören und verhindern SIE mit Ihrer Planung.
Ohne Not verschlechtern Sie mit einem Streich die Verkehrssicherheit
für Radfahrer, die Lebensqualität der Anwohner
und die Attraktivität für Flaneure. Und mit
den Geldern des "Städtebaulichen Denkmalschutzes"
zerstören Sie eine denkmalgeschützte Straße.
Wir fordern
weiterhin eine umfassende und ehrliche Bürgerbeteiligung,
statt der Willkür einer Bürgerideen-Lotterie.
Desweiteren fordern wir einen Runden Tisch mit der Senatsverwaltung,
Bezirksverwaltung und den Bürgerinitiativen. "Der
erste Schritt dazu ist eine skeptische, respektlose
Einstellung der Bürger gegenüber dem wissenschaftlichen
Experten. Die Erneuerung der Gesellschaft muss vom Zweifel
ausgehen." (Ivan Illich: Fortschrittsmythen - S.31)
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