Die Vorherrschaft des Autos beenden
 
 
Global denken - lokal handeln
 
Fahrrad 
               
 
"Al socialismo se puede llegar solo en bicicleta" - ("Der Sozialismus kann nur mit dem Fahrrad ankommen")
José Antonio Viera Gallo - Staatssekretär der Justiz in der 1973 der von CIA und Diktator Augusto Pinochet gestürzten, demokratisch gewählten Regierung Allende (1973)

Die Diskussion "Pro oder Contra Fahrradwege" wird immer wieder kontrovers unter Radlern diskutiert. (Die meisten Radfahrer sterben durch rechts abbiegende PKW und LKW weil sie auf dem Radweg nicht rechtzeitig gesehen werden.) Richtig ist, dass Radwege meist unzureichend bis gefährlich für Radfahrer sind. Richtig ist aber auch dass Radwege das subjektive Sicherheitsgefühl bei vielen, vor allem unsicheren und unerfahrenen, Radfahrern erhöhen. Das Dilemma ist, dass der Druck auf die Kommunalpolitiker, eine Gleichberechtigung von Radfahrern und Autos umzusetzen, erst dann eintritt, wenn die Masse der Radfahrer groß genug ist, um als relevante Interessengruppe überhaupft wahrgenommen zu werden. Diese Masse entsteht aber erst wenn sich ältere Verkehrsteilnehmer, Kinder, Unerfahrene und Unsichere trauen ebenfalls auf das Fahrrad umzusteigen. CARambolagen sieht eine Übergansphase für unvermeidlich an. Es sollte Radwege für die geben die sonst auf dem Gehweg fahren würden. Radwege sollten aber keiner Nutzungspflicht unterliegen! Radwegnutzer wiederum sollten auf die Gefahren der Radwege aufmerksam gemacht werden und zu besonders defensivem Fahren ermuntert werden. Im Gegenzug müssen Autofahrer ganz besonders auf die Gefahren für Radfahrer hingewiesen werden.

Das Fahrrad ist mit Abstand das umweltfreundlichste und effizienteste Fahrzeug. Ivan Illich schrieb 1973 in seinem brillianten Essay »"Energie und Gerechtigkeit" im Kapitel "Grade der Mobilität ("Narrenlob" des Fahrrads)":

..."Vor einem Jahrhundert wurde das Kugellager erfunden. Es verringerte den Reibungskoeffizienten um das Tausendfache." ... ... "Das "Rad", der Rollkörper - wohl die letzte der großen neolithischen Erfindungen - wurde schließlich nutzbar für die aus eigener Kraft getriebene Mobilität. Das Kugellager ist hier Symbol für einen endgültigen Bruch mit der Tradition und für die entgegengesetzten Richtungen, in die Entwicklung führen kann. Ohne Geräte kommt der Mensch recht gut zurecht. Er befördert ein Kilogramm seines Gewichts in 10 Minuten einen Kilometer weit und verausgabt dabei 0,75 Kalorien. Der zu Fuß gehende Mensch ist thermodynamisch leistungsfähiger als jedes Motorfahrzeug und die meisten Tiere. Im Verhältnis zu seinem Gewicht leistet er mehr Bewegungsarbeit als die Ratte oder der Ochse und weniger als das Pferd oder der Stör. Mit diesem Maß an Leistung besiedelte der Mensch die Erde und machte seine Geschichte. In diesem Maß verbringen bäuerliche Gesellschaften weniger als 5 % und Nomaden weniger als 8 % ihres jeweiligen gesellschaftlichen Zeithaushalts im Verkehr außerhalb des Hauses oder Lagers.
Auf dem Fahrrad kann der Mensch sich drei- bis viermal schneller fortbewegen als der Fußgänger, doch er verbraucht dabei fünfmal weniger Energie. Auf flacher Straße bewegt er ein Gramm seines Gewichts einen Kilometer weit unter Verausgabung von nur 0,15 Kalorien. Das Fahrrad ist der perfekte Apparat, der die metabolische Energie des Menschen befähigt, den Bewegungswiderstand zu überwinden. Mit diesem Gerät ausgestattet, übertrifft der Mensch nicht nur die Leistung aller Maschinen, sondern auch die aller Tiere.

Die Erfindung des Kugellagers, des Tangentenspeichenrades und des pneumatischen Reifens zusammen können nur mit drei anderen Ereignissen in der Geschichte des Transports verglichen werden: Die Erfindung des Rades beim Anbruch der Zivilisation nahm die Last von den Schultern des Menschen und lud sie auf den Schubkarren. Im europäischen Mittelalter steigerte die Erfindung und gleichzeitige Anwendung der Trense, des Schultergeschirrs und des Hufeisens die thermodynamische Leistung des Pferdes um das bis zu Fünffache und veränderte die Ökonomie des mittelalterlichen Europa. Sie ermögliche ein häufiges Pflügen und eröffnete damit die rotierende Fruchtfolge. Sie versetzte weiter entfernte Felder in die Reichweite des Bauern, und erlaubte damit der Landbevölkerung, aus Weilern mit 6 Familien in 100-Familien-Dörfer zu ziehen, in den Umkreis der Kirche, des Marktplatzes, des Gefängnisses und später der Schule. Sie ermöglichte die Kultivierung im Norden gelegener Böden und verlagerte das Zentrum der Macht in die kalten Klimazonen. Und schließlich schuf der Bau der ersten hochseetüchtigen Frachtschiffe durch die Portugiesen im 15. Jahrhundert unter der Ägide des sich entfaltenden europäischen Kapitalismus die Grundlagen einer weltumspannenden Marktwirtschaft und den modernen Imperialismus." ...

... "Das Fahrrad benötigt auch wenig Raum. Achtzehn Fahrräder können auf der Fläche geparkt werden, die ein Auto beansprucht, dreißig Räder können auf dem Raum fahren, den ein einziges Automobil braucht. Es werden zwei Fahrspuren einer gegebenen Breite benötigt, um 40 000 Menschen mit modernen Zügen innerhalb einer Stunde über eine Brücke zu befördern, vier um sie in Bussen zu fahren, zwölf um sie in Pkw zu befördern und wieder nur zwei, um auf Fahrrädern hinüberzuradeln. Unter all diesen Fahrzeugen erlaubt nur das Fahrrad dem Menschen wirklich, von Tür zu Tür zu fahren, wann immer, und über den Weg, den er wählt. Der Radfahrer kann neue Ziele seiner Wahl erreichen, ohne daß sein Gefährt einen Raum zerstört, der besser dem Leben dienen könnte.
Fahrräder ermöglichen es dem Menschen, sich schneller fortzubewegen, ohne nennenswerte Mengen von knappem Raum, knapper Energie oder knapper Zeit zu beanspruchen. Er benötigt weniger Stunden pro Kilometer und reist doch mehr Kilometer im Jahr. Er kann den Nutzen technologischer Errungenschaften genießen, ohne die Pläne, die Energie oder den Raum anderer übermäßig zu beanspruchen. Er wird Herr seiner Bewegung, ohne die seiner Mitmenschen wesentlich zu beeinträchtigen. Sein neues Werkzeug schafft nur solche Bedürfnisse, die es auch befriedigen kann. Jede Steigerung der motorisierten Beschleunigung schafft neue Ansprüche an Raum und Zeit. Die Verwendung des Fahrrads beschränkt sich von selbst."