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Editorial  
               
 

10.9.2008
Willkommen im angesagtesten Zoo Berlins!
Betrifft: FAZ vom 28.8.2008 über die Oderberger Straße in Berlin

von Käthe Wenzel

Judka Strittmatters "Angebot" (FAZ vom 28. Juni) scheint weniger ein Angebot als der Versuch, einen realen Ort in ein Reich mythologischer Plattheiten zu übertragen. Ungenauigkeiten und sachliche Irrtümer ließen sich leichter verzeihen, wenn sich nicht der Verdacht aufdrängte, dass es ihr weniger um die Beobachtung einer Realität als um die Fortschreibung allseits beliebter Stereotypen über die DDR, die Wende und das flotte Berliner Leben am Anfang des Jahrtausends zu tun ist.

Das sprachliche Hin- und Herschlackern zwischen heroischem Pseudo-Blankvers und verunglücktem Marketing-Deutsch ("weniger legal als initial' - meinten Sie "initiativ"?) erhärtet diesen Verdacht. Bestürzend finde ich die Unreflektiertheit, mit der die Autorin den Begriff "Ureinwohner" verwendet, ohne sich um seine Herkunft aus dem Vokabular einer kolonialen Rethorik und seine ideologischen Implikationen zu scheren. Wenn einer dieser "Ureinwohner" im letzten Abschnitt zum "nervösen Tier" mutiert, wissen wir, woran wir sind: willkommen im angesagtesten Zoo Berlins!

Wie wenig Interesse an der politischen Gegenwart besteht, wird klar, wenn die lebhafte Diskussion über den Umbau und die Zukunft der Oderberger Strasse mit einer Platitüde wie "Die Pläne des Bezirks sind der Bürgerinitiative ein Dorn im Auge" abgebügelt wird. Denn genau so ist es eben nicht. Vielmehr sind die derzeitigen Pläne in einem bemerkenswerten partizipatorischen Prozess von Bezirk und BürgerInnen gemeinsam erarbeitet worden. Und dies, das bürgerliche Engagement für eine Umwelt nach unseren Vorstellungen auch vor unserer Haustuer, der Wille, den öffentlichen Raum nicht aufzugeben und veröden zu lassen, sondern ihn zu besitzen und zu gestalten, ist es, der die spezielle Atmosphäre der Oderberger Strasse ausmacht - und nicht nur die Waffeln im "Kauf dich glücklich", die ein feiner, aber kleiner Teil davon sind.