15.10.2008
Die
Finanzkrise ist die Klimakrise ist die Expertenkrise
Ein
Protest zur Klimakonferenz in Poznan im Oktober 2008
von
Frank Mankyboddle
Der
neuerliche Bankrott des Kapitalismus ist nicht nur ein
finanzieller, sondern noch viel mehr ein sozial-ökologischer.
Aber, als ob die Bankiers und Wirtschaftsgeisterfahrer
(sprich: Wirtschaftslenker), die ihre Drogen jüngst
noch als Allheilmittel verkauften, nicht schon genug
dummes Zeug geredet hätten, erklären sie die
Heilmittel, z.B. die Klimaschutzmaßnahmen, prompt
zum Gift. Gift für die Konjunktur. Sie glauben,
mit der Schlichtheit die der Gier üblicherweise
innewohnt, dass der Niedergang unserer natürlichen
Lebensgrundlagen eine Pause einlegt, bis sich die Wirtschaft
wieder erholt. Doch erholen muss sie sich vor allem
von ihren eigenen Managern, versteht jetzt auch der
blutigste Laie, nach dieser vorletzten Krise AD 2008!
Denn
das solideste, in was eine Volkswirtschaft investieren
kann, sind, jetzt einmal halb metaphorisch gesprochen,
Windräder, gegen die die Don Quijotes des Wirtschaftsliberalismus
zu Felde ziehen können. Denn: selbst wenn sie fiskalisch
völlig unrentabel wären produzierten sie doch
wenigstens Jahrzehntelang elektrische Energie, wann
immer der Wind weht, und brächten viele Menschen,
bei der Errichtung und Wartung (etc.), in Lohn und Brot,
was man über den Zinseszins fauler Kredite nicht
sagen kann. Das können auch die Windbeutel der
Finanzbranche jetzt nicht mehr leugnen. Aber leugnen
kann man heutzutage wohl alles, auch da hinken Deutschland
und Europa den USA, wie in vielen Dingen, nur ein paar
Jahre hinterher.
So
ist nicht jeder Gläubige der beste Theologe. Jedenfalls
nicht wenn man noch an Dinge wie Wissenschaft, Objektivität
und Empirie glaubt, auch wenn man verstanden hat, dass
diese Begriffe in letzter Konsequenz, und epistemologisch
korrekt, nicht allein schon das Glück bedeuten.
Und man muss von Ökonomie nichts verstehen, um
zu verstehen, dass der Hohepriester des Derivate-Handels,
Alan Greenspan, der ehemalige US Notenbank-Chef, schlicht
und ergreifend die jungfräuliche Geburt, also "bullshit",
predigte, wenn man weiß, dass genau dieser Derivate-Handel
allein die deutschen Steuerzahler jetzt mindestens 500
000 000 000 Euro kostet. Ja, - 500 000 mal eine Million
(rund tausend Jahre wöchentlicher Lotto-Jackpot)
- ein Betrag mit dem man sofort alle Hannoveraner zu
Euro-Millionären, oder alle Berliner, die bisher
noch nicht dieses Glück hatten, zu hypothenkenfreien
Besitzern von Eigentumswohnungen machen könnte.
Oder noch viel spannender: man hätte die Bundesrepublik
mit dieser Summe für alle Zeiten aus der Energieabhängigkeit
in die Energieautarkie führen und damit alle Klimaschutzziele
locker erreichen können. Mit dem schönen Nebeneffekt,
dass die BRD nie mehr in Versuchung geraten müsste,
des lieben Öls wegen, mit Diktatoren oder Fundamentalisten
heuchlerische Politik machen zu müssen.
Aber
stattdessen, als sei nichts gewesen, wird sofort wieder
in die "Geiz ist Geil"-Trompete getutet, wenn
es um die Umwelt geht. Nach vierzig Jahren der "Club
of Rome"-Warnungen haben die Vorstandskapitäne
immer noch nicht begriffen was die natürlichen
Lebensgrundlagen sind, und dass der Kollaps derselben
mittlerweile genauso schnell eintreten könnte wie
der des Finanzsystems. Mit dem Unterschied, dass den
einmal eingetretenen Umweltkollaps kein Geld der Welt
rückgängig machen kann, denn der Kabeljau
wird sich mit einer Zahlung von 500 Milliarden wohl
kaum zu einer Sprunghaft ansteigenden Vermehrung überreden
lassen. Wollen sie den Finanzleichtmatrosen also noch
einmal ihre Stimme geben?
Dass
die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer
werden ist doch seit Margaret Thatcher eine Binsenweisheit.
Und auch fehlt es bisher nicht an demokratischen Alternativen,
jedenfalls nicht bis uns eine Grüne Mehrheitsregierung
davon überzeugt hat, dass auch sie keine Alternative
ist. Nun fragt sich WARUM das Volk immer wieder DEN
Parteien die Stimme gibt, die es über den Tisch
ziehen? - Es ist der Glanz des Geldes, das Märchen
des unermesslichen Geldreichtums, auf den die große
Mehrheit immer wieder hereinfällt. Der Traum, dass
die Gier auch uns, wenigstens theoretisch, zum Milliardär
machen könnte, macht uns zu Komplizen der Untergangsindustrie.
Aber Kinder werden erwachsen und lachen über den
Weinachtsmann - und eine Spezies unterliegt der Evolution,
die sie vielleicht von der demokratisierten Gier zur
Demokratie der Vernunft entwachsen lässt.
Dabei
ist der Untergang abwendbar, völlig unnötig
und unsinnig. Denn es ist wirklich genug für alle
da um ein wirklich reiches Leben zu führen. Wenn
wir uns nur von einer Handvoll idiotischer Ansprüche
trennen:
Z.B. der unbegrenzten, individuellen, motorisierten
Mobilität - also dem Auto, das die Städter
zu permanent Strandurlaubsbedürftigen macht, weil
ihre Städte vor lauter Lärm, Abgasen und Parklückenästhetik
zu reinen Nutz-Orten geworden sind, aus denen sich immer
mehr Menschen fort wünschen: an den Stadtrand,
auf die Malediven, ins stille Biotop etc. Warum investieren
wir nicht in die Paradiesierung unserer Städte,
anstatt in die Verstädterung unserer Paradiese?
Oder vom Traum des Flugzeugkurzurlaubs, überall
in der Welt (Berlin - Uluru, hin und zurück in
zwei Wochen).
Oder dass unsere Lebensmittel, möglichst gratis
auf unserem Tisch zu landen haben. ("Wienerwald"
½ Hendl zum Preis eines 0,5 Liter Pils vom Faß
!)
Oder, noch schlimmer, der gedankenlosen Verschwendung,
aus Gewohnheit, die uns noch nicht einmal kurzzeitige
Vorteile bringt. Und so weiter.
Geiz
ist im Endeffekt eine teure Angelegenheit. Statt auf
windige Dividenden bei den Banken zu hoffen sollten
wir an die realen Dividenden unseres Verzichts auf Vergeudung
denken. Es gibt sehr viel zu gewinnen: das gute Leben
und andere Nebenwirkungen.
Nachtrag:
Die jetzige sogenenannte
Finnazkrise 2009 ist vielleicht die letzte erzwungene
Besinnungspause in den Konvulsionszyklen des Kapitalismus.
Wer jetzt seine Hausaufgaben nicht richtig macht wird
sich von dem Versäumnis möglicherweise nie
mehr erholen.
Die grüne Mär
der verzichtlosen Ökologie mit ewigem Wirtschaftswachstum
bekommt eine Sechs Minus. Wer heute nicht lernt für
den Erhalt von Zivilisation und Wohlstand auf Unsinniges
und Destruktives zu verzichten wird am Ende gar nichts
behalten.
Wem der Zusammenhang
zwischen Finanzkrise und Umweltkrise immer noch nicht
augenfällig ist, dem sei dieser Zusammenhang noch
einmal klar dargestellt: faule Kredite dienen dazu Bedürfnisse
zu befriedigen, die unser Einkommen bei weitem übersteigen.
Faule Kredite sollen die Illusion aufrechterhalten,
dass jeder Mensch der Welt wie ein Multimillionär
leben könne. Diesem Irrglauben können nur
Menschen verfallen die ihre Berechnungen grundsätzlich
ohne die ökologischen Realitäten machen. Die
ökologischen Grenzen des Wirtschaftens sind das
Maß der Dinge an dem sich jede Wachstumsprognose
messen lassen muß. Das Pyramiden-Spiel der Finanzkrise
ist dem Kapitalismus innerste Natur. Erst wenn die absoluten
ökologischen Grenzen beziffert sind kann ein Wirtschaften
entstehen das wirklich nachhaltig ist. Diese Wirtschaft
wäre dann nur noch in sehr engem Rahmen "kapitalistisch"
zu nennen und sicher nicht mehr finanzkapitalistisch.
Nachtrag November 2011
Überraschend findet sich im SPIEGEL 48/2011, in einem Interview mit Umweltminister Norbert Röttgen, folgende Passage, die die Grundaussage dieses Artikel bekräftigt.
"SPIEGEL: Kanzlerin Angela Merkel hat gesagt, dass die Umweltkrise und die Finanzkrise gemeinsame Ursachen haben. Stimmt das denn?
Röttgen: Das sehe ich genauso wie die Kanzlerin. Die großen Krisen unserer Zeit erwachsen aus einem Denken und einer Politik, die kein Morgen kennen. Die Staaten und Finanzmärkte leben vom Pump, die Sozialsysteme sind auch in Deutschland nicht nachhaltig genug, und wir leiten unseren Wohlstand aus Ressourcen ab, die eigentlich kommenden Generationen zur Verfügung stehen müssten. Wir machen Finanzschulden, Sozialschulden, Ökoschulden. Das summiert sich zu einem Schuldenleben, das die Verantwortung für die Zukunft ausblendet." www.spiegel.de/spiegel/0,1518,800364,00.html
Vielleicht ist noch Hoffnung, wenn konservative Politiker zu solchen Aussagen fähig sind.
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